Deutsch und Deutsch

Nicht nur alte(rnde) weiße Männer wie mich scheint es zu stören, dass wir uns einer Sprache bedienen sollen, die keine ist: Auch alte(rnde) weiße Frauen – wie Elke Heidenreich – haben damit ihre Schwierigkeiten.

Wer an der Vergabe von Ausbildungsplätzen beteiligt ist, weiß, dass Elke Heidenreich recht hat: Diese Generation beherrscht die deutsche Sprache nicht. Es mangelt ihr an dem Verständnis, dass die an Emoticons gebildete Sprache geschäftliche Sachverhalte nicht vermitteln kann. Möglicherweise liegt die Ursache darin, dass Papier sich nicht „zoomen“ lässt. Vlleicht aber erlernt sich richtiges Deutsch nur, wenn man ein Buch auch mit den Händen begreift, statt auf dem Smartphone Texte einfach (weg)wischt.

Elke Heidenreich bezog sich auf die jüngst gewählte Sprecherin der Jungen Grünen, Sarah Lee Heinrich (20), die aber nicht die Einzige bei den Grünen ist, deren Deutsch zu wünschen übrig lässt. Ricarda Lang (27), seit 2019 stellvertrende Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin (sic!) der Partei Bündnis 90/Die Grünen, wird mit folgenden Worten zitiert: „Twitter lädt sehr zu Empörung und Unerbarmlichkeit ein, ich war da bestimmt auch selbst schon Teil von.“

Es wäre sicher sexistisch zu sagen, dass diese Art zu sprechen bei Mädchen doch irgendwie süß ist, zumal sich diese Nachsicht mit dem Alter verringert. Wie wäre die Hoffnung, sie würden, wenn auch nicht mit 27 Jahren oder nach fast drei Jahren als Sprecherin von irgendetwas, in wenigen Jahren Deutsch sprechen lernen? Ich versuche es mal so: Mensch, (also auch Frau im Bündnis 90/Die Grünen), es täte dir gut, ein Buch zu lesen – ein gebundenes, schwer in der Hand liegendes …

Politik und Gesellschaft

Wenn ich zu alt zum Träumen werde, werde ich dich zum Erinnern haben …

Della Reese (1931 – 2017) begann ihre Karriere im Chor von Mahalia Jackson und im Erskine Hawkins Orchestra. In den 1950ern hatte sie einige erfolgreiche Songs und war aus keiner Jukebox wegzudenken. Ab Juni 1969 führte sie – als erste Afroamerikanerin – durch eine Talkshow mit immerhin 199 Folgen.

Kirk Stuart (1934 – 1982), der mit ihr das obige Duett sang, war Pianist und begleitete nicht nur Della Reese, sondern auch Billie Holiday oder Sarah Vaughan.

Mehr Musik

Bei dem Grabe eines jungen edlen Grafen, der in einem Duell erstochen wurde

So großes, grenzenloses Elend
entsteht aus einem stolzen Wahn,
wo das gesunde Urteil fehlend
nur blind und irrig schließen kann.
Denn was beweisen die Duelle?
Sie zeigen uns nichts anders an,
als wer mit mehr geübter Schnelle
und mehr Gewandtheit fechten kann.

Dass aber der gewandte Fechter
auch reicher sei an Tugendkraft,
hingegen der Besiegte schlechter,
bleibt allemal noch zweifelhaft.
Sonst wäre jeder Straßenräuber
zugleich der größte Ehrenheld,
da er der Wandrer schwache Leiber
gewandt zu morden überfällt.

Michael von Jung (29.09.1781 bis 24.07.1858): Bei dem Grabe eines jungen edlen Grafen, der in einem Duell erstochen wurde – Schluss

Im Schwäbischen Dreieck zwischen Lech, Bodensee und Schwäbischer Alb hatte Michael von Jung seinen Wirkungskreis als Priester und Dichter: Trotz mehrerer Verweise seitens der Kirche konnte er es nicht lassen, an offenen Gräbern seine Grablieder zum Besten zu geben, bis er auf einer geringer dotierten Kaplanstelle seinen kirchlichen Dienst beendete.

Wie es wohl die Angehörigen empfanden, wenn sie bei der Beerdigung Lieder hörten wie „Bei dem Grabe … dreier Kinder, die im Kohlendampf erstickten … eines erschossenen Jägers ….eines Mannes, der von einem Kirchturm herab zu Tod fiel … einer vortrefflichen Sängerin, die an der Cholera starb … zweier Kinder, die Gift gegessen haben …“?

Der drastischen Beschreibung des Todes folgen arglos Allgemeinbetrachtungen des Lebens, das ja irgendwie weitergeht.

Seine Hoffnung, die 200 Grablieder, die er in den beiden Bänden der „Melpomene“ zusammentrug, würden sich zu einem bekannten Liederbuch bei Beerdigungen entwickeln, erfüllte sich nicht. Vielleicht ist die Muse Melpomene den Trauersängern weniger geneigt als den Tragöden.

Wie Friederike Kempner bleibt von Jung der zweifelhafte Ruhm der unfreiwilligen Komik.

Mehr Literatur

Kein schöner Land

Im Anschluss an meinen Beitrag „Konfrontation oder Schweigen“ fällt mir der Wahlwerbespot der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ ein, in dem sie „Kein schöner Land“ singen lassen.

Es geht mir nicht um eine kritische Äußerung darüber, ob es mir gefällt oder nicht – jede Partei muss selber wissen, welchen Werbespot sie sendet. Mir geht es um das Lied selbst.

„Nun, Brüder, eine gute Nacht. Der Herr im hohen Himmel wacht! In seiner Güten, uns zu behüten, ist er bedacht.“

Mit dieser – eigentlich der vierten – Strophe des „Abendliedes“ endete in meiner Jugendzeit jedes Lagerfeuer bei der Kolping-Jugend oder der Maria-Fokolar-Bewegung. Die letzte Strophe „Ihr Brüder, wisst, was uns vereint. Eine and’re Sonne hell uns scheint. In ihr wir leben, zu ihr wir streben als die Gemeind“ war wohl zu protestantisch. Bei den Falken fiel die vierte Strophe weg. Nur bei der Evanglischen Landjugend und der Jungen Union wurden alle fünf Strophen gesungen. Es ist einfach ein gutes Lied, um einen Abend zu beenden. Sicher weckt das Lied nicht nur bei mir Erinnerungen an herrliche Zeiten; bei mir waren es eben die, in der ein katholischer Jugendlicher in Ostfriesland alles mitnahm, was er konnte und wollte.

1840 – noch im Biedermeier – wurde das Lied zum ersten Mal veröffentlicht, also in der guten alten Zeit. Die „Karlsbader Beschlüsse“ wirkten: Die Einschränkungen, sich öffentlich politisch bestätigen zu können, förderten Emigration (Heine, Büchner, Marx) und bei den Zurückbleibenden den Rückzug ins Private. Im eigenen Heim ließ sich im Kreis der Familie falschen politischen Gedanken am leichtesten entkommen. Man schwelgte in echten Gefühlen und Rührung. Die Abgründe des eigenen Seins waren – mit ganz wenigen Ausnahmen – nicht Thema biedermeierlicher Künstler.

Ich frage mich: Dass sich Bündnis 90/Die Grünen dieses Lied aussuchen, ist das ein Zufall oder Aussicht auf eine Zukunft unter ihrer Regierung? Eine neue Zeit, die die gute alte ist …

Mehr Politik und Gesellschaft

Konfrontation oder Schweigen?

Mich machen die Themen, die öffentlich breit diskutiert werden, stumm. Das liegt daran, dass ich nicht die Gefühle und Gedanken habe, die gesellschaftlich akzeptiert sind und deren Äußerung von jedem erwartet wird.

Vor ein paar Wochen wurde der Tod von Flutopfern mit Trauer, Bestürzung und anderen Gefühlsäußerungen kommentiert. Ich hatte diese Gefühle nicht: Wie alle war ich neugierig und wollte Genaueres wissen. Ob 200 Menschen ertrunken sind oder ob dieselben Menschen an Herzinfarkten, Krebs oder nach einem Verkehrsunfall sterben, lässt mich nur dann etwas empfinden, wenn ich die Menschen kenne (im weitesten Sinne). Beim Tod fremder Menschen, deren Name ich noch nicht einmal weiß, fühle ich auch keinen Verlust.

Ich habe ein sehr nüchternes Verhältnis zu Sterben und Tod. Es ist nun einmal ein Naturgesetz, dass alles Irdische vergeht. Menschen sind sterblich, also sterben sie. Ich bin sterblich, also werde auch ich sterben. Darüber kann ich nicht klagen. Leben ist kostbar, aber nicht zu erhalten.

Wenn ich Worte wie „Leben retten“, „überlebt“ usw. in den Nachrichten höre, verdrehe ich die Augen: Nein, kein Leben ist gerettet – keiner überlebt – jeder wird sterben.

Offen gestanden, kann ich noch nicht einmal mehr diese Corona-Hysterie begreifen. Wenn die Population einer Art völlig außer Kontrolle gerät, gelten Naturgesetze: Die Zahl der Fressfeinde wächst, die Nahrung wird knapp, tödliche Krankheiten verbreiten sich usw. Mir scheint, meine Mitmenschen sind verwundert, dass die Natur den Menschen wie jede andere Art (vielleicht sogar wie Mäuse oder Ratten) behandelt, und reagieren mit einem Kampf gegen die Natur. Unsere Fressfeinde haben wir so weit ausgerottet, dass sie kaum noch ins Gewicht fallen. Wir bekämpfen den „Hunger in der Welt“. Ist es nicht erstaunlich, dass dieselben Menschen, die den Kampf gegen Corona mit allen Mitteln (Eindämmungsmaßnahmen, Impfungen, Ungleichbehandlung, wenn nicht gar Verunglimpfungen von „Impfverweigerern“ etc.) aufnehmen und unterstützen, sich für Natur- und Klimaschutz einzusetzen vorgeben? Mir scheint, sie wollen ihren Lebensstil aufrecht erhalten, indem sie weiterhin auf die technischen Möglichkeiten und menschlichen Fähigkeiten setzen, und bemerken gar nicht, dass uns das zur Überbevölkerung gebracht hat. Es kommt ihnen wohl wirklich nicht in den Sinn, sich zurückzulehnen und der Natur ihren freien Lauf zu lassen. Bei der geringen Letalitätsrate von Corona ist die Art Mensch nicht einmal ansatzweise in Gefahr auszusterben – es geht also vor allem darum, die Überpopulation des Menschen zu erhalten …

„Afghanistan“ ist ein ähnliches Thema: Die Welt scheint nur dann in Ordnung zu sein, wenn wir dafür sorgen, dass die Welt nach Deutschland kommt, zumindest ins westliche Europa oder Nordamerika. Natürlich hatte auch ich gehofft, dass der Jahrzehnte lange Versuch, Afghanistan zu demokratisieren, mehr Früchte getragen hätte. Müssten wir uns nicht mit der – doch auch nicht ganz unerwarteten – Situation konfrontieren, dass das, was schon vor dem Einmarsch sowjet-russischer Truppen begann, sich nun vollendet? Die Erkenntnis kann doch nur lauten: Freiheit lässt sich nicht schenken, sie muss errungen werden – ob friedlich oder kämpferisch, hängt von den betroffenen Menschen und den Verhältnissen ab. Jetzt fliegen wir genau die Menschen aus Afghanistan aus, die diesen Kampf führen könnten. Es geht mir nicht darum, dass die Flüchtlinge im Kampf sterben sollen, sondern um die schlichte Feststellung, dass sie sterben werden und dass ihr anderer Tod in Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder in den USA der Taliban nicht die Macht kosten wird, sondern sie ideologisch auch noch unterstützt: Wie es der SED zum Erhalt ihrer Macht beim Bau der Mauer als Argument diente, dass sich Fachkräfte in den Westen aufmachten, werden die Taliban behaupten, der ruinierte Zustand Afghanistans sei den Truppen Ungläubiger und den mit ihnen verbundenen Flüchtlingen als Verräter am eigenen Staat geschuldet.

Ein Leben – lang und erfüllt -, wer wünscht sich das nicht? Das ist aber kein Naturgesetz. Wenn am Ende der Corona-Eindämmungsmaßnahmen meine Mitmenschen aufatmen, dass sie endlich wieder shoppen, reisen, in Kneipen gehen können, dann kann ich mein Unverständnis über sie nur andeuten. Ich habe mir in Gesprächen so häufig den Mund verbrannt und mich als herzlos oder gefühlskalt bezeichnen lassen müssen, dass ich mich frage, ob wir uns mit den richtigen Dingen konfrontieren oder ob wir darüber hinweggehen, indem wir Gefühle und Gedanken in der gesellschaftlich akzeptierten Weise äußern, die zumindest ich bei genauerer Betrachtung gar nicht habe. Wenn ich recht hätte, würde uns unser gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten krank machen, oder?

Die öffentlichen Diskussionen gefallen mir nicht. Empörung über eine Äußerung oder ein Verhalten, das nicht genehmigt ist, wird an die Stelle inhaltlicher Auseinandersetzung gesetzt. Man stelle sich mal vor, Ingeborg Bachmann würde heute dem Menschen die Wahrheit zumuten wollen und erklären, es sei Aufgabe des Dichters, dem Menschen die Augen zu öffnen – sie würde einen „Shitstorm“ ernten, weil sie ihre Rede zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden hielt und man einem Blinden doch nicht sagen kann, man wolle ihm die Augen öffnen. Und dann ist da die Frage: Darf man noch „Blinder“ sagen oder heißt es SehloserIn?

Ich kann nur verstummen, weil ich die Gefühle und Gedanken nicht habe, die öffentlich gefordert werden. Mir gefällt das gesellschaftlich Akzeptierte nicht. Und ganz ehrlich: Ich kann noch nicht einmal die Sprache leiden, in der ich diese akzeptierten falschen Gefühle und Gedanken auch noch kleiden soll.

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William, Werner und 600 Babyleichen

1150 wurde die Legende des William von Norwich aufgeschrieben. Der Zwölfjährige war 1144 ermordet aufgefunden worden. Aufgrund einer Vision von Williams Mutter wurden Juden des Ritualmords beschuldigt. Klage wurde zwar nicht erhoben, aber immerhin eine Kapelle errichtet: Man wollte von den Wallfahrern profitieren, die an die Wunder am Grab des jungen Märtyrers glaubten.

Über 100 Jahre später wurde der ungeklärte Tod des 16jährigen Werner von Oberwesel zum Anlass für Judenverfolgungen genommen. Dem „heiligen“ Märtyrer wurden ebenfalls Kapellen geweiht.

Auch von Anderl von Rinn glaubte man ab dem 17. Jahrhundert, er sei 1462 Opfer eines jüdischen Ritualmordes geworden.

Im 21. Jahrhundert wissen wir es natürlich besser. Darum sagen wir auch nicht mehr so deutlich, dass für Ritualmorde Juden verantwortlich seien. Aber Ritualmorde an sich? Da scheint es doch irgendwie möglich, dass eine Elite aus Politik und Wirtschaft die Welt beherrscht und Ritualmorde begeht (wie die Juden?), um an das Kinderblut heranzukommen. Wir nennen so etwas selbstverständlich nicht mehr „Aberglaube“, sondern „Fake News“, aber populär scheint die Legende vom Ritualmord nach wie vor. Wie kann man sich sonst erklären, dass die Nachricht, 600 Babyleichen wären in den bundesdeutschen Fluten herumgeschwommen, um die ganze Welt geht?

In Abwandlung eines Filmzitats („Der Löwe im Winer“) darf man wohl festhalten: „Wir haben alle Messer. Es ist 2021 und wir sind alle Barbaren.“

Allerdings: Ich habe mir keine der im Artikel genannten Seiten angesehen, vielleicht ist die Nachricht über die Falschmeldung selbst eine …

Mehr Politik und Gesellschaft

Beamte besolden oder lieber nicht?

Es ist eine Sache, sich über Beamte lustig zu machen, aber was wären wir ohne Polizei und Feuerwehr, ohne Schule oder Justiz – selbst Finanzbeamte werden einem sympathisch, fällt die Steuererstattung höher aus, als ein online-Rechner es vermuten ließ.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 04.05.2020 über die Besoldung der Richter und Staatsanwälte in Berlin für die Jahre 2009 bis 2015 entschieden, dass eine „Gesamtschau der für die Bestimmung der Besoldungshöhe maßgeblichen Parameter ergibt, dass die gewährte Besoldung evident unzureichend war“ (Entscheidung und Pressemitteilung).

Es ist nichts Neues für den rotrotgrünen Senat in Berlin, vor dem Bundesverfassungsgericht zu verlieren (auch wenn der jetzige Senat die fehlerhafte Besoldung in den Jahren 2009 bis 2015 nicht selbst zu vertreten hat, so hat er es doch auf die Entscheidung des BVerfG ankommen lassen). Wenn das BVerfG aber schon feststellt, dass die Besoldung der Richter und Staatsanwälte verfassungswidrig war, sollte man doch meinen, dass nun alle Richter und Staatsanwälte gleich behandelt würden und alle, die zu wenig bekommen haben, die Nachzahlung auch erhielten.

Der rotrotgrüne Senat ist cleverer. Stets auf der Suche nach dem nächsten Schnäppchen, stets fündig. Schließlich will man den Haushalt nicht noch mehr belasten, nachdem sich das Abgeordnetenhaus 2019 deftige Diätenerhöhungen geleistet hat.

Im Richterbesoldungsreparaturgesetz (RBes2009/15RepG BE) wird in § 1 der Anwendungsbereich festgelegt. Eine Nachzahlung erhalten die Kläger der Ausgangsverfahren, die zur Entscheidung des BVerfG geführt haben. Weiterhin bekommen nur die Richter und Staatsanwälte eine Nachzahlung, die der Besoldung widersprochen haben, wenn der Widerspruch oder die Klage nicht rechtskräftig geworden sind. Da das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die niedrigere Besoldung bestätigt haben, müssen also Richter und Staatsanwälte mindestens Revision zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt haben. Wer hoffte, von einer grundlegenden Entscheidung zu profitieren, sieht sich vom rotrotgrünen Senat getäuscht – er hätte eben so lange streiten müssen, bis er den Dunstkreis der Berliner Staatsgewalten endgültig verlässt. Die Zahl der Richter und Staatsanwälte, die vom Reparaturgesetz profitieren, ist aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs also überschaubar.

In ihren Stellungnahmen zum Reparaturgesetz hatten der Deutsche Beamtenbund und der Deutsche Gewerkschaftsbund bereits darauf hingewiesen, dass noch Verfahren von Beamten der Besoldungsgruppe A anhängig seien. Es ist zwar möglich, doch sehr unwahrscheinlich, dass das BVerfG für sie eine andere Entscheidung treffen wird. Wie das Reparaturgesetz für diese Fälle – gerade für Beamte des unteren Dienstes – aussehen wird, kann man sich leicht vorstellen. Tja, wer das Geld für Gerichtsverfahren bis zum BVerfG nicht ausgeben will, hat eben Pech. Wozu ist man in Berlin Beamter, wenn man nicht gegen seinen Dienstherrn klagt? Der rotrotgrüne Senat benimmt sich wie der schlimmste Unternehmer: Es geht nicht um Menschen, sondern um „Humankapital“ und dafür will sowohl der eine als auch der andere so wenig wie möglich ausgeben. Sollte ein Arbeitgeber / Dienstherr so seine Arbeitnehmer / Beamte behandeln?

Es ist eine Sache, über Beamte Witze zu machen. Schnäppchenjagd hat seinen Preis: Wenn ein Dienstherr wie das Land Berlin seine Beamten so behandelt, dann verabschiedet sich aus der Bundeshauptstadt, wer in einem anderen Bundesland oder gar im Bund mehr verdienen kann. Das sind nicht nur Finanzbeamte, sondern Polizisten, Lehrer, Rechtspfleger usw. Irgendwie wundert es mich nicht, dass der Senat keine Ingenieure findet und über „Zulagen“ nachdenkt. Diese Boni dürften wenig taugen angesichts der Tatsache, dass man angemessene Entlohnung durch den Berliner Senat bis zum Bundesverfassungsgericht einklagen muss …

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Juden wieder mit Stern?

Auf der Homepage des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin heißt es zum Projekt Ihnestr. 22 : „Insbesondere Sinti*zze und Rom*nja, Jüdinnen*Juden, Schwarze Personen und behinderte Menschen fielen den Arbeiten des KWI-A zum Opfer.“

Vielleicht sollte das Otto-Suhr-Institut den Zentralrat der Juden in Deutschland und den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma anschreiben und um Ergänzung ihrer Eigenbezeichnungen mit Sternen bitten – sie müssen ja nicht gleich Farben wie gelb oder braun benutzen, ein schwarzer Stern für beide Minderheiten tut es erst einmal auch. Ach was, es muss noch nicht einmal ein ganzer Stern sein, fürs Erste reicht ein Dreieck.

Ich könnte auch noch böser fragen: Genderterror geht über Leichen?

Wahrscheinlich ist das beim Otto-Suhr-Institut keinem Menschen aufgefallen, weil alle ihren Doktortitel dort erworben haben oder zu erwerben gedenken.

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Glauben heißt nicht wissen

Wenn ich über Glauben und Wissen rede, dann denken Viele an einen Gegensatz. Für mich ist das eine die Ergänzung zum anderen. Ich vergleiche glauben und wissen gerne mit gehen und laufen. Natürlich kann man nicht gleichzeitig gehen, wenn man läuft. Aber ich kann gehen und ich kann laufen; ich kann sogar entscheiden, ob ich gehe oder laufe. Wer nur geht, bleibt nicht auf dem Laufenden, wer nur läuft, dem entgeht etwas. Mein Glaube ist eine andere Möglichkeit, ein Problem zu bewältigen, wozu mein Wissen nicht ausreicht – oder eben auch umgekehrt.

Mich beschleicht bei Menschen, die felsenfest überzeugt sind, ihre Forderungen beruhten auf Wissen, das Gefühl, das sie sich irren. Früher wandten sich alle Menschen mit ihrem „Gib, gib, gib!“ an den lieben Gott, heute wenden sich die Bürger an Vater Staat mit demselben „Gib, gib, gib!“.

Das kann mit Geld zu tun haben: Treibstoff soll wegen des CO2-Ausstoßes teurer werden, schon erhebt sich der Anspruch an den Staat, für Ärmere einen Ausgleich zu schaffen. Die Schadstoffe sind aber doch nicht weniger schädlich, weil der Staat das Benzin bezahlt. Die Forderung kann nichts mit Wissen zu tun haben, sondern nur mit dem Glauben, jeder müsse ein Auto fahren dürfen.

Ansprüche können auch mit dem Gefühl zu tun haben: In der Pandemie waren wir alle auf unser engstes Leben geworfen. Das muss für Viele eine so schreckliche Erkenntnis über sich gewesen sein, dass sie „endlich“ das Ende der Eindämmungsmaßnahmen fordern, um wieder uneingeschränkt shoppen, reisen und feiern zu können. Dieser Anspruch scheint nur auf Wissen gegründet, denn die Pandemie ist nicht beendet und wir wissen inzwischen aus eigener Erfahrung, was den Lockerungen folgt. Für mich ist dieses „Gib Freiheit“ tatsächlich der Glaube, dass das Leben vor den Einschränkungen „normal“ gewesen sei und Shoppen, Reisen und Feiern zum Leben dazu gehörten. Die Mehrheit der Weltbevölkerung würde dem widersprechen, denn ihr Leben ist nicht so geprägt.

Mich wundert besonders, dass die Menschen meinen, der Staat könne ihre Wünsche erfüllen. Der Staat äußert sich ausschließlich in Rechtsetzung (Legislative), Rechtsprechung (Judikative) und Rechtsanwendung (Exekutive). Es ist nicht möglich, dass jemand per Gesetz oder Urteil oder Verwaltungsakt ein gutes Leben hat. Ein Grundrecht auf Shoppen, Reisen und Feiern oder auf „Bloß weg von mir und meinem Leben ohne …“ gibt es nicht. Mir scheint, den Staat als Ansprechpartner seiner Ansprüche zu sehen, nicht weniger gläubig, als sich an Gott zu wenden.

Was heißt schon Wissen? Vor der Spätantike, als die Menschen noch an viele Götter glaubten, wussten sie, dass die Erde eine Scheibe ist. Heute wissen viele meiner Mitbürger, dass die Erde eine Kugel ist. Aber die Erde ist weder Scheibe noch Kugel, wenn wir uns bei Wikipedia schlauer machen, um die Erdfigur zu ermitteln. Keine Scheibe, keine Kugel und sie dreht sich doch.

Sind wir möglicherweise leichtgläubiger als Menschen vergangener Zeiten? Im Mittelalter musste sich das Wissen dem Glauben unterordnen, viele bezeichen diese Zeit immer noch als „finsteres Mittelalter“, aber war es wirklich finsterer als heute? Wäre es wirklich möglich, dass viele unserer Ansprüche, die wir an den Staat stellen, zwar gut begründet sind, aber doch nicht auf Wissen, sondern auf Glaube beruhen? Das wäre auch kein Problem, wenn wir uns dessen bewusst wären, sobald wir einen Anspruch erheben oder unterstützen.

PS: Sollte ich mich nicht so klar ausgedrückt haben, mag das daran liegen, das über mir eine fette Spinne an der Decke sitzt, und ich immer wieder einen Blick nach oben werfe, ob sie sich auf meinen herzförmigen Haaransatz oder in meine Teetasse abseilt (jetzt kann ich nicht entscheiden, was schlimmer wäre … lieber Gott, lass sie den Aschenbecher treffen!)

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