Die SPD Sachsen hat auf ihrem letzten Landesparteitag viele Anträge bearbeitet. Beschlossen wurde auch, dass „mentstruierende Männer“ ihre Hygieneprodukte auf öffentlichen Männertoiletten entsorgen können müssen („Nicht-binäre Toilettenausstattung“). Ich musste mich erst einmal erkundigen, was damit gemeint ist: Menschen, die sich als Männer in einem Frauenkörper wahrnehmen, gehen nicht auf die Damen-, sondern auf die Herrentoilette und suchen dort vergeblich nach einer Möglichkeit, Binden und Tampons, die sie als Männer eigentlich nicht benötigen, entsorgen zu können.
Ich will nicht so tun, als hätte ich nicht gelacht und als würde ich nicht doch den einen oder anderen Witz reißen wollen. Es ist auch nicht so, dass es nur diese Art von Anträgen auf dem Parteitag der SPD Sachsen gegeben hätte. Statt nach dem Sinn und Unsinn des Antrags frage ich mich, ob wir von den Gender-Theoretikern und deren politischen Arm langsam, aber sicher in eine wissenschaftlich begründete Körperfeindlichkeit getrieben werden.
Der Gang zur Toilette dient der Befriedigung eines körperlichen Bedürfnisses, der Entsorgung der Verdauungsendprodukte. Dass Damentoiletten nicht über Urinale verfügen, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass Frauen sie nicht (oder nicht ohne Hilfsmittel) verwenden können. Die Rohrleitungen sind eben anders verlegt. Niemand geht aufs Klo, weil’s männlich oder weiblich ist, aufs Klo zu gehen – wer aufs Klo geht, muss mal unabhängig von seinem Geschlecht oder seinen eigenen Überlegungen und Empfindungen über das eigene (Nicht-)Geschlecht – bis diese Überlegungen zu Ende gebracht sind, wäre der Darm schon geplatzt …
Man kann sicher trefflich darüber streiten, ob eine Trennung nach Geschlechtern gerechtfertigt ist. Vielleicht gefällt es Frauen, wenn sie an Männern, die vor Urinalen stehen, vorbeigehen, vielleicht gefällt das auch den Männern. Dann spricht Vieles dafür, Unisex-Toiletten zu fordern. Man kann auch drei Toiletten anbieten: Damen, Herren, Sonstige. Ob ein, zwei oder drei Toiletten – der Service bleibt derselbe: Körperliche – nicht seelische – Ausscheidungen zu entsorgen.
Ich will nicht bestreiten, dass die Gender-Theorie Erklärungen liefert, die die Naturwissenschaft nicht geben kann. Neben dem körperlichen Geschlecht (Sex) ein soziales Geschlecht (Gender) anzunehmen, kann aber nur so lange gut sein, als es entweder die gesellschaftliche Entwicklung (also das Miteinander) fördert oder sich nicht in einen Gegensatz zu Erkenntnissen der Naturwissenschaften (insbesondere der Genforschung) setzt. Über das Letztere kann ich nicht urteilen, das Erstere nicht erkennen.
Nun, ich bin schwul und erfreue mich am männlichen Geschlecht. An „menstruierenden Männern“ erfreue ich mich nicht. Mein Geschlechtsleben ist definitiv körperlich geprägt. Es gehört zu meinem Leben aus Körper und Geist dazu, nur darum lebe ich mit einem Mann zusammen.
Damit hat es sich dann auch: Ich arbeite in einem typischen Frauenberuf und habe für Anwältinnen und Notarinnen gearbeitet, auch für eine Bundestagsabgeordnete. Ich spreche mit Frauen wie mit Männern. Ich lese Bücher von Frauen und Männern über Frauen und Männer. Ich sehe Filme von Frauen und Männern über Frauen und Männer. Und die Arie eines Bass kann mich genau so reizen wie Soprankoloraturen.
Für mich ist eine Seele nicht männlich oder weiblich, sie hat keine Herkunft (deutsch, türkisch, koreanisch), sie hat keinen sozialen Stand (Bankier oder Obdachloser). Jede Seele hat dieselben Eigenschaften und unterscheidet sich von einer anderen nur dadurch, dass die Eigenschaften unterschiedlich ausgeprägt sind. Ich habe heterosexuelle Frauen in Frauenkörpern kennengelernt, deren Verhalten als „Typisch Mann“ zu bezeichnen ist. Es gibt heterosexuelle Männer in Männerkörpern, die mich an meiner Unterscheidungskraft zwische hetero und homo zweifeln lassen.
Körperfeindlich wird die Gender-Theorie, weil die mentale Selbstwahrnehmung (was ich eben als Seele oder Geist bezeichne) den Körper beherrschen soll. Wer von Geschlechtsumwandlung spricht, meint, dass der Körper (Sex) dem selbst wahrgenommenen Geschlecht (Gender) angepasst wird. Ich habe nicht recherchiert, aber ich vermute, dass der umgekehrte Weg, das Gender an den Sex anzupassen, die psychische Person an deren physisches Ich anzugleichen, heftig kritisiert würde. Wir sind uns aber alle einig, dass Magersüchtige eine Störung der Selbstwahrnehmung haben, die unter psychologischer Hilfe der Korrektur bedarf. Mir scheint, die Einteilung, was noch im Rahmen psychischer Gesundheit und außerhalb dessen als Störung der eigenen Wahrnehmung bezeichnet wird, ist noch nicht sehr einheitlich, gleichwohl unternehmen Vertreter der Gender-Theorie alles, um das biologische als das dem Gender untergeordnete Geschlecht zu betrachten, den Staat zu einer entsprechenden Gesetzgebung und Rechtsprechung zu treiben und die Meinung der Gesellschaft darüber zu beherrschen, sodass Kritik im Keim erstickt wird – die eigene Wahrnehmung der Betroffenen ist wichtiger und sie ist (aber eben genau wie bei Magersüchtigen) darauf angelegt, den Körper unterzuordnen.
Mir fällt gerade ein, ob dieses Missverhältnis zum eigenen Körper auch die Prüderie vorantreibt, die nach meiner Meinung immer weiter um sich greift: Seelischer Striptease wird bejubelt, Darstellungen von männlichen oder weiblichen Geschlechtsorganen (und sei es nur die halbe Brustwarze einer Frau) werden immer häufiger als „unangemessen“ verboten. Kein Wunder, dass sich Pubertierende – jeden Alters – als Ventil in eine Übersexualisierung hineinsteigern.
JEDENFALLS: Wäre ich eine Frau in einem Frauenkörper, dann würde ich jedem, der es wagte, mein Ich aus Geist und Körper auf eine bloße Körperfunktion zu reduzieren („Menstruationshintergrund“), mit allem mir dann zur Verfügung stehenden weiblichen Charme eine knallen.
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