Kein schöner Land

Im Anschluss an meinen Beitrag „Konfrontation oder Schweigen“ fällt mir der Wahlwerbespot der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ ein, in dem sie „Kein schöner Land“ singen lassen.

Es geht mir nicht um eine kritische Äußerung darüber, ob es mir gefällt oder nicht – jede Partei muss selber wissen, welchen Werbespot sie sendet. Mir geht es um das Lied selbst.

„Nun, Brüder, eine gute Nacht. Der Herr im hohen Himmel wacht! In seiner Güten, uns zu behüten, ist er bedacht.“

Mit dieser – eigentlich der vierten – Strophe des „Abendliedes“ endete in meiner Jugendzeit jedes Lagerfeuer bei der Kolping-Jugend oder der Maria-Fokolar-Bewegung. Die letzte Strophe „Ihr Brüder, wisst, was uns vereint. Eine and’re Sonne hell uns scheint. In ihr wir leben, zu ihr wir streben als die Gemeind“ war wohl zu protestantisch. Bei den Falken fiel die vierte Strophe weg. Nur bei der Evanglischen Landjugend und der Jungen Union wurden alle fünf Strophen gesungen. Es ist einfach ein gutes Lied, um einen Abend zu beenden. Sicher weckt das Lied nicht nur bei mir Erinnerungen an herrliche Zeiten; bei mir waren es eben die, in der ein katholischer Jugendlicher in Ostfriesland alles mitnahm, was er konnte und wollte.

1840 – noch im Biedermeier – wurde das Lied zum ersten Mal veröffentlicht, also in der guten alten Zeit. Die „Karlsbader Beschlüsse“ wirkten: Die Einschränkungen, sich öffentlich politisch bestätigen zu können, förderten Emigration (Heine, Büchner, Marx) und bei den Zurückbleibenden den Rückzug ins Private. Im eigenen Heim ließ sich im Kreis der Familie falschen politischen Gedanken am leichtesten entkommen. Man schwelgte in echten Gefühlen und Rührung. Die Abgründe des eigenen Seins waren – mit ganz wenigen Ausnahmen – nicht Thema biedermeierlicher Künstler.

Ich frage mich: Dass sich Bündnis 90/Die Grünen dieses Lied aussuchen, ist das ein Zufall oder Aussicht auf eine Zukunft unter ihrer Regierung? Eine neue Zeit, die die gute alte ist …

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