Wie man den Wähler mürbe macht

Es ist verständlich, dass CDU, SPD, FDP und auch die Grünen sich eine Demokratie wie in den 80er Jahren des vergangen Jahrhunderts zurückwünschen, da stimmten die Verhältnisse – von der sozialliberalen zur christliberalen Regierung und die Grünen konnten ordentlich Opposition machen und waren einfach neu.

Die letzten Wahlen zum Bundestag und zu den Landtagen haben gezeigt, dass sich die Demokratie in der Bundesrepublik gehörig verändert hat: Da sind plötzlich Ideologieparteien, die entweder eine Diktatur zu verantworten haben oder einer Diktatur recht nahe stehen. Eine Auseinandersetzung mit den „Kräften am äußersten Rand“ wird so häufig angekündigt wie aufgeschoben. Zu sehr in ihrem alten Demokratieverständnis verhaftet, wissen die alten Parteien (CSU, CDU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD) nichts mit den neuen Verhältnissen anzufangen. Statt ein Bündnis der Demokraten zu bilden, werden völlig unnötige Kämpfe ausgetragen. Der Wille, die Demokratie zu befördern, ist bei allen alten Parteien längst einer unkontrollierten Empörungshysterie gewichen.

Artikel 20 ‚Absatz 2 des Grundgesetzes wird schleichend in sein Gegenteil verkehrt: Die Staatsgewalt geht nicht mehr vom Volke aus, die Parteien übernehmen die Staatsgewalten in Gutsherrenmanier (ja, auch das Bündnis 90).

Mir kommen die alten Parteien wie Übergewichtige vor, die alles getan haben, um abzunehmen – außer mehr Sport zu treiben und weniger zu essen. Sie mampfen kiloweise Süßigkeiten und wundern sich, dass das Ergebnis stets das selbe bleibt. Nur die Art der Süßigkeiten unterscheidet sie noch voneinander.

Jetzt also sollen die Thüringer die Zusammensetzung eines Parlaments so wählen, dass sich die Parteien weiterhin ohne große Mühe ihre Wünsche erfüllen können. Ein Wähler aber macht seine Entscheidung nicht davon abhängig, was ein anderer wählt. Er ist sehr viel konsequenter und wählt, was er will – es gibt keine „Zusammenarbeit“ oder Absprachen, die effizient wären. Und weil die Parteien mit dem Ergebnis der nächsten Wahl auch nicht zurecht kommen werden, können sich die Thüringer schon darauf einrichten, dass Neuwahlen bedeutet, dass sie immer wieder neu wählen sollen. Wenn der Wähler mürbe gemacht ist und sich dann nur noch entscheiden mag, ob er das Kasperle-Theater der alten Parteien mitmacht oder durch Wahl einer diktatorischen Partei dem Ganzen ein Ende bereitet, kann ich mir nicht vorstellen, dass er die erste Möglichkeit wählt.

Wir müssen es den Parteien zumuten, Wahlergebnisse demokratisch umzusetzen, statt sich im Dauerwahlkampf gegenseitig kleingeistig und kurzsichtig zu bekämpfen. Leider können sich die Wähler nicht dagegen wehren, wenn die staatsgewaltbeherrschenden Parteien ein Wahlergebnis durch ein anderes ersetzen wollen. Die Parteien können sich benehmen wie in der Weimarer Republik und den Wähler auf den verschiedenen Ebenen ebenso oft zur Wahlurne bemühen  – ich bezweifle jedoch, dass diese Republik dadurch ein anderes Ende nehmen wird.

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